Die grössten Rechtsirrtümer
Eltern haften für ihre Kinder…..
Diese auf vielen Schildern zu lesende Aufschrift ist schlicht und ergreifend falsch.
Grundsätzlich haften Kinder, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, für von ihnen verursachte Schäden selbst. Ausnahmen gibt es bei nicht vorsätzlich verursachten Schäden im Straßenverkehr sowie sonstige Schäden, die Minderjährige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einem anderen zugefügt habe, soweit ihnen dabei die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht fehlt (§828 BGB).
Greift ein solcher Haftungsausschluß Minderjähriger, kommt es nicht automatisch zu einem Haftungsübergang auf die Eltern.
In Betracht kommt allenfalls eine Haftung des Aufsichtspflichtigen, das kann aber außer den Eltern auch die Tagesmutter, Erzieherin, der Lehrer oder Hortbetreuer sein. Soweit der Aufsichtspflichtige seiner Pflicht genügt hat, ist eine Haftung ausgeschlossen (§832 BGB).
Der Letzte muß die Zeche zahlen…..
Wer hat die Situation nicht schon einmal erlebt? Man sitzt in gemütlicher Runde von Freunden, Kollegen oder Sportkameraden in einem Lokal zusammen. Es wird gegessen, getrunken und gelacht und nach und nach löst sich die Runde auf. Als letzter will man sein Schnitzel und die fünf getrunkenen Biere und drei Kurzen bezahlen – alle anderen sind schon weg – und ist völlig perplex, als der Wirt die Bezahlung von 4 Schnitzeln, 23 Bier und 17 Kurzen verlangt. Den Hinweis, man selbst habe doch nur ein Schnitzel, fünf Bier und drei Kurze bestellt, will der Wirt nicht gelten lassen, Pech gehabt, den letzten beißen halt die Hunde. Als der Wirt schließlich mit der Polizei droht, zahlt man mit gequälter Mine – natürlich ohne ein Trinkgeld zu geben – und ärgert sich hinterher mächtig. Erste Zweifel kommen auf: hätte man das wirklich alles bezahlen müssen?
Nein!!! Tatsächlich ist man nur verpflichtet, das zu bezahlen, was man selbst bestellt, nicht zwingend auch konsumiert hat. Der Wirt – und sicher auch man selbst – tut gut daran, zu dokumentieren, wer was bestellt hat. Früher tat man das auf dem guten, alten Bierdeckel. Und wenn der schon groß genug ist, um eine Steuererklärung darauf abzugeben, reicht er doch für unsere Zeche alle mal. In diesem Sinne: Prost!
Innerhalb von zwei Wochen kann ich alles zurückgeben, was ich gekauft habe…..
Auch diese Aussage ist so nicht richtig. Es gilt zunächst der alte Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ ; zu Deutsch: Verträge sind einzuhalten. Das bedeutet, daß ich mich grundsätzlich nicht einseitig von einem Vertrag lösen kann…. aber wenn der Jurist „grundsätzlich“ sagt, bedeutet dies, daß es auch Ausnahmen gibt…. und in diesem Fall – auch dank europäischen Rechts – für Verbraucher sogar eine ganze Menge:
Zunächst besteht ein Widerrufsrecht bei sog. Haustürgeschäften. Hierunter fallen gem. §312 BGB Geschäfte, die auf Verhandlungen im Bereich der Privatwohnung oder des Arbeitsplatzes zurückzuführen sind, anläßlich einer Freizeitveranstaltung (z.B. Kaffeefahrt) oder durch Ansprechen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen abgeschlossen worden sind.
Des weiteren gibt es ein Widerrufsrecht für Verträge, die ausschließlich postalisch, per Katalogbestellung, telefonisch, per E-Mail sowie durch Rundfunk-, Tele- und Mediendienste abgeschlossen worden sind (sog. Fernabsatzverträge gem. §312b BGB).
Das Widerrufsrecht ist innerhalb von 14 Tagen in Textform oder durch Rücksendung der Ware auszuüben; zur Fristwahrung genügt die Absendung innerhalb der Frist.
Die Widerrufsfrist beginnt jedoch erst mit Mitteilung der Widerrufsbelehrung, welche deutlich erkennbar und in Textform erfolgen muß.
Gleiches gilt übrigens auch für den Abschluß von Darlehensverträgen (§495 BGB).
Hat der Verbraucher zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen aufgenommen, welches mit dem Kaufvertrag verbunden ist, so ist er bei einem Widerruf eines der beiden Verträge auch an den jeweils anderen Vertrag nicht mehr gebunden (sog. verbundene Verträge gem. §358 BGB).
Aber auch bei den Widerrufsrechten gibt es eine Vielzahl von Ausnahmen, worüber wir Sie gern beraten.
Die eben erwähnten Widerrufsrechte gelten nur für Verbraucher, nicht für Gewerbetreibende!
Sie bestehen auch nicht, wenn ein Verbraucher von sich aus ein Geschäft betritt und etwas kauft. Anders ist die Rechtslage, wenn der Verkäufer dem Käufer von sich aus ein Rückgaberecht einräumt, wie dieses bei vielen größeren Filialgeschäften der Fall ist.
Von einem solchen freiwilligen Rückgaberecht profitiert übrigens auch der Gewerbetreibende, solange er von dem freiwillig eingeräumten Rückgaberecht nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.
Ich kann mir mein Erbe vorzeitig auszahlen lassen…..
Der ein oder andere, der in den Genuß des Religionsunterrichtes gekommen ist, mag sich noch an das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ erinnern. Dieser verlangte von seinem Vater, ihm seinen Erbteil auszuzahlen, zog damit hinaus in die weite Welt und verpraßte diesen, verarmte darüber, kehrte reumütig zu seinem Vater zurück und wurde von diesem mit offenen Armen empfangen.
Nach deutschem Recht gibt es keinen Anspruch auf vorzeitige Auszahlung des Erbes! Der Erblasser ist auch nicht verpflichtet, seine Lebensführung so zu gestalten, daß es überhaupt etwas zu vererben gibt. Da der Erbfall erst mit dem Tod des Erblassers eintritt, muß sich der Erbe mit dem zufrieden geben, was zu diesem Zeitpunkt an Erbmasse noch da ist oder ihr hinzugerechnet wird.
Allerdings galt bis zum 31.03.1998 für „uneheliche“ Kinder, daß diese gegenüber ihrem Vater keinen Erbanspruch, sondern nur einen Erbersatzanspruch hatten, welcher sich auf Auszahlung in Geld richtete. Diesen Erbersatzanspruch konnten die „unehelichen“ Kinder zwischen ihrem 21. und 27. Lebensjahr gegenüber ihrem Vater vorzeitig, also noch zu dessen Lebzeiten, geltend machen. Da die nichtehelichen Kinder aber inzwischen den ehelichen Kindern gleichgestellt sind, gilt diese Vorschrift seit dem 01.04.1998 nicht mehr.
Der Ehemann muß immer für seine Frau zahlen…..
In dieser Absolutheit ist diese Auffassung nur bedingt richtig:
Unlängst stellte eine Mandantin unmittelbar nach der Begrüßung zu einer Erstberatung die Frage, wieviel Unterhalt ihr denn zustünde, wenn sie sich von ihrem Mann trenne. Recht erstaunt reagierte sie, als sie zur Antwort bekam, daß es nach einer Berechnung auch gut sein könne, daß sie von ihrem Mann gar nichts verlangen und statt dessen für ihn aufkommen müsse.
Die sich aus dem Wesen der Ehe ergebende Unterhaltspflicht ist eine wechselseitige. Sie richtet sich einerseits nach der Bedürftigkeit des jeweils Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten andererseits. In der Praxis mag es zwar überwiegend immer noch der Fall sein, daß der Ehemann der wirtschaftlich stärkere ist, so daß er im Rahmen seiner Unterhaltspflicht Unterhalt zahlen muß. Es gibt aber immer mehr Fälle, in denen es sich genau umgekehrt verhält oder beide Ehegatten wirtschaftlich gleich stark sind, so daß sich für keinen von beiden ein Zahlungsanspruch ergibt.
Jeder Ehepartner haftet für die Schulden, die der andere gemacht hat….
Auch diese weit verbreitete Ansicht ist nur partiell richtig.
Ausgehend vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft haftet jeder für die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich selbst, unabhängig davon, ob die Verbindlichkeiten aus der Zeit vor der Ehe stammen oder erst während der Ehe begründet worden sind. Eine Ausnahme hat der Gesetzgeber für Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs in §1357 BGB vorgesehen: danach ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Was im einzelnen von der sogenannten ehelichen Schlüsselgewalt umfaßt ist, insbesondere was als „angemessen“ anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles und richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Jedenfalls fallen hierunter typische Haushaltsgeschäfte (Kauf von Lebensmitteln, notwendige Kleidungsstücke, Anschaffung von Haushaltsgeräten und einzelnen Einrichtungsgegenständen).
Bei der sehr selten durch Ehevertrag gewählten Gütergemeinschaft haften die Ehegatten mit einigen Ausnahmen hingegen jeweils für die Verbindlichkeiten des anderen.
Zu unterscheiden hiervon ist der Fall, daß z.B. bei Kreditverbindlichkeiten, die ein Ehegatte allein eingehen will, das Kreditinstitut darauf besteht, daß auch der andere Ehegatte den Kreditvertrag als Kreditnehmer oder Bürge mit unterzeichnet. Hier handelt es sich dann jedenfalls im Verhältnis zum Kreditgeber um gemeinsame Schulden. Allerdings sieht die Rechtsprechung die Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehegatten regelmäßig als sittenwidrig und damit unwirksam an.
Wenn mir das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, steht mir eine Abfindung zu…..
Diese weit verbreitete Auffassung ist ebenfalls nur im Ausnahmefall richtig.
So kann sich im Einzelfall ein Abfindungsanspruch ergeben, wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Sozialplan verhandelt worden ist, der für ausscheidende Mitarbeiter eine Abfindung vorsieht.
Ferner kann das Arbeitsgericht den Arbeitgeber auf Antrag des Arbeitnehmers zu einer angemessenen Abfindungszahlung verurteilen, wenn es die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, es dem Arbeitnehmer aber nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (§9 KSchG). Dabei reicht das bloße Führen des Kündigungsschutzprozesses und die damit einhergehende Belastung des Arbeitsverhältnisses noch nicht aus. Es muß regelmäßig ein Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Kündigung oder der Kündigungsschutzklage hinzukommen, daß die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründet. Dies können z.B. in unzutreffenden und ehrverletzenden Behauptungen des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer oder rassistische Äußerungen sein.
Die überwiegende Anzahl der Abfindungsansprüche ergeben sich jedoch aus Abfindungsvergleichen in Kündigungsschutzverfahren: Der Arbeitgeber, der in einem solchen Verfahren die Beweislast für das Vorliegen von tragfähigen Kündigungsgründen hat, ist aus wirtschaftlichen Gründen bereit, sich durch Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis „freizukaufen“. Er hat nämlich kein Interesse daran, ein langwieriges Verfahren zu führen und das nicht unerhebliche Prozeßrisiko zu tragen, geschweige denn zur Begründung etwa der Betriebsbedingtheit die wirtschaftliche Situation seines Betriebes bis ins Detail offen zulegen.
Auf den Abschluß eines solchen Abfindungsvergleiches besteht jedoch kein Anspruch. Geklagt werden kann somit im Regelfall auch nicht auf eine Abfindungszahlung, sondern nur auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung.
Während oder wegen einer Erkrankung darf mir nicht gekündigt werden…..
Es gibt keine Vorschrift, die besagt, daß während einer Erkrankung nicht gekündigt werden darf. Ein besonderer Kündigungsschutz besteht zwar für Schwangere, aber Schwangerschaft ist per se keine Erkrankung. Soweit keine sonstigen besonderen Kündigungsschutzgründe greifen, z.B. zugunsten von Schwerbehinderten oder Betriebsräten, ist eine Kündigung, die während einer Erkrankung ausgesprochen wird, nicht schon deshalb unzulässig.
Eine Kündigung wegen einer Erkrankung kann sogar als personenbedingte Kündigung rechtmäßig sein, nämlich wenn sich aus einer anzustellenden Gesundheitsprognose ergibt, daß der Arbeitnehmer zukünftig nicht in der Lage sein wird, wieder an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Auch eine bereits seit zwei und mehr Jahren andauernde Erkrankung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.
Anders ist dieses bei häufigen Kurzerkrankungen zu beurteilen, die ihren Ursprung nicht in der selben Grunderkrankung haben.
Die Erstberatung beim Anwalt ist doch kostenlos…..
Nein! Genau das Gegenteil ist der Fall. Jede anwaltliche Dienstleistung, darunter auch eine Erstberatung, ist kostenpflichtig. Bei Verbrauchern ist sie lediglich bis zu einer Höhe von 226,10 € inklusive Mehrwertsteuer gedeckelt.
Auch die auf Beratungshilfebasis erteilte Erstberatung ist keinesfalls kostenlos. Der Mandant ist verpflichtet, einen Eigenanteil von 15,-€ zu zahlen, was auch auf dem beim Amtsgericht von ihm selbst zu beantragenden Berechtigungsschein vermerkt ist.
Wenn ich kein Geld habe, habe ich in Strafsachen einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger…..
Diese Pauschalaussage ist ebenfalls unzutreffend. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafrecht hat mit den wirtschaftlichen Verhältnissen überhaupt nichts zu tun und ist nicht zu verwechseln mit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Prozeßkostenhilfe. Letztere gibt es übrigens im Strafrecht nicht!
Unabhängig von den finanziellen Verhältnissen wird dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger nur unter den Voraussetzungen des §140 StPO bestellt:
– Hauptverhandlung in erster Instanz beim Landgericht oder Oberlandesgericht
– Anklage hat ein Verbrechen zum Inhalt (kein Vergehen)
– Verfahren kann zum Berufsverbot führen
– Unterbringung in einer Anstalt für mindestens drei Monate vor Hauptverhandlung
– bei Vorbereitung eines psychatrischen Gutachtens
– Durchführung eines Sicherungsverfahrens
– Ausschluß des bisherigen Verteidigers von der Mitwirkung
Darüberhinaus kann das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen, wenn dies wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, daß sich der Angeschuldigte selbst nicht verteidigen kann